Livv
Décisions

CCE, 23 avril 1997, n° M.891

COMMISSION DES COMMUNAUTÉS EUROPÉENNES

Arrêt

Deutsche Bank/Commerzbank/JM Voith

CCE n° M.891

23 avril 1997

An die anmeldenden Parteien

Betrifft : Fall Nr. IV-M.891 - Deutsche Bank/Commerzbank/JM Voith

Anmeldung vom 20. März. 1997 gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064-89 des Rates

Sehr geehrte Damen und Herren,

1. Am 20. März 1997 haben die Deutsche Bank AG, Frankfurt/Main, (Deutsche Bank) und die Commerzbank AG, Frankfurt/Main, (Commerzbank) das Vorhaben angemeldet, in mehreren Schritten durch Anteilserwerb die gemeinsame Kontrolle über die JM Voith GmbH (Voith) zu erwerben. Nach Prüfung der Anmeldung hat die Kommission festgestellt, daß das angemeldete Vorhaben in den Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung fällt und hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des EWR-Abkommens keinen Anlaß zu ernsthaften Bedenken gibt.

I. Die Parteien und das Vorhaben

2. Die Deutsche Bank und die Commerzbank gehören zu den grössten deutschen Universalbanken. Beide betreiben Bankgeschäfte aller Art und sind ausserdem in den Bereichen Versicherungen und Unternehmensberatung tätig. Sie halten ausserdem Unternehmensbeteiligungen in verschiedensten Wirtschaftszweigen.

3. Voith ist ein deutsches Unternehmen, das in verschiedenen Bereichen des Maschinenbaus tätig ist, insbesondere Papiermaschinenbau und Stofftechnik (mehr als [Geschäftsgeheimnis] % des Gesamtumsatzes), Wasserturbinen, Schiffsantriebe und Antriebstechnik.

4. Voith, bisher ein Familienunternehmen in der Rechtsform der GmbH, soll umstrukturiert und auf eine solidere Eigenkapitalbasis gestellt werden. Die Umstrukturierung erfolgt in mehreren Schritten. Die JM Voith GmbH wird zunächst in eine 100 % ige Tochtergesellschaft der Commerzbank eingebracht. Gleichzeitig gründet Deutsche Bank eine Holdinggesellschaft, die JM Voith Holding AG (Voith Holding), an der sich Commerzbank zu 50 % beteiligt. Schließlich wird die Commerzbank-Tochter, in die Voith GmbH eingebracht wurde, auf Voith Holding verschmolzen. Die hierfür erforderlichen Schritte wurden in zwei Verträgen (Vereinbarung über die Umstrukturierung der JM Voith GmbH und Vereinbarung zur Kapitalausstattung der JM Voith Holding AG) fest vereinbart. Deutsche Bank und Commerzbank beabsichtigen, einen Grossteil ihrer Anteile an Voith Holding an Privatinvestoren weiterzuveräussern und langfristig ihre Beteiligung auf zusammen ca. [Geschäftsgeheimnis] % des Aktienkapitals zu reduzieren; das entspricht ca. [Geschäftsgeheimnis]% der Stimmrechte. Zunächst soll eine Veräusserung der Aktien im Rahmen einer Privatplazierung versucht werden. Falls weniger als 75 % der Aktien im Rahmen der Privatplazierung veräussert werden können, behalten sich die Banken eine Plazierung an der Börse vor, die frühestens im Frühjahr 1998, möglicherweise aber auch deutlich später erfolgen könnte. Diese weiteren Schritte sind in den o.g. Vereinbarungen als Absichtserklärungen enthalten, nicht jedoch rechtlich bindend vereinbart worden.

II. Zusammenschluß

5. Deutsche Bank und Commerzbank erwerben die gemeinsame Kontrolle über Voith im Sinne des Artikels 3 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EWG) n° 4064-89 des Rates (Fusionskontrollverordnung). Angesichts der Beteiligungsstruktur und dem gemeinsamen strategischen Interesse der Banken ist davon auszugehen, daß Voith gemeinsam kontrolliert wird.

Die Tatsache, daß Voith GmbH kurzzeitig (für 3-4 Wochen) in eine 100 % -Tochter der Commerzbank eingebracht wird, stellt keinen eigenständigen Kontrollerwerb dar, da er erkennbar nur als vorübergehender Zwischenschritt im Rahmen eines umfassenderen Vorhabens geplant ist. Commerzbank hat sich im Vertrag über die Umstrukturierung der JM Voith GmbH verpflichtet, ihre Tochtergesellschaft, die Voith GmbH umfasst, in die gemeinsam kontrollierte Voith Holding einzubringen.

6. Voith ist ein Vollfunktionsunternehmen. Es wird wie bisher als selbständiger Anbieter von Maschinenbauprodukten auf dem Markt auftreten. Es verfügt über alle notwendigen Ressourcen und wird weder auf der Beschaffungs- noch auf der Absatzseite auch nur vorübergehend von den Muttergesellschaften abhängig sein.

7. Die Anwendung von Artikel 3 Abs. 5 lit. a) der Fusionskontrollverordnung (Bankenklausel) kommt im vorliegenden Fall nicht in betracht. Zwar ist es denkbar, daß das Gemeinschaftsunternehmen nur für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr besteht, nämlich dann, wenn die beabsichtigte Privatplazierung der Aktien der Voith Holding gelingt. Doch gibt es keine Absicherung dafür, daß dies der Fall sein wird. Dem Wortlaut der Verträge nach sind die Banken nicht fest verpflichtet, die Privatplazierung zu versuchen. Wenn sie dies tun, ist nicht gesichert, daß die Privatplazierung von mindestens 75 % der Voith Holding-Aktien gelingt. Sollte diese Quote unterschritten werden, behalten sich die Banken den Börsengang vor, dessen Zeitplan sie u.a. von der allgemeinen Börsenentwicklung und der Entwicklung des Unternehmens abhängig machen. Die beteiligten Banken haben ausdrücklich erklärt, daß sie ihre Stimmrechte auch im Hinblick auf das Wettbewerbsverhalten des Unternehmens ausüben werden und damit die Beteiligung an Voith als normale unternehmerische Beteiligung führen wollen. Die Bankenklausel könnte jedoch nur angewandt werden, wenn die Banken ihre Stimmrechte im Hinblick auf das Wettbewerbsverhalten von Voith nicht ausüben würden.

III. Gemeinschaftsweite Bedeutung

8. Deutsche Bank und Commerzbank haben zusammen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als 5 Mrd. ECU (Deutsche Bank ca. [Geschäftsgeheimnis (>10 Mrd. DM)] Mrd. ECU, Commerzbank ca. [Geschäftsgeheimnis (>10 Mrd. DM)] Mrd. ECU, jeweils berechnet nach der für Banken in Artikel 5 Abs. 3 lit. a der Fusionskontrollverordnung vorgesehenen Methode). Der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz beider Unternehmen liegt über 250 Mio ECU (Deutsche Bank ca. [Geschäftsgeheimnis (>10 Mrd. DM)] Mrd. ECU, Commerzbank ca. [Geschäftsgeheimnis (>10 Mrd. DM)] Mrd. ECU). Der weltweite Gesamtumsatz von Voith betrug im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr ca. [Geschäftsgeheimnis (>1 Mrd. DM)] Mrd. ECU, der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz [Geschäftsgeheimnis (>250 Mio ECU)] Mio. ECU. Deutsche Bank und Voith erzielen in keinem Mitgliedstaat mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Umsatzes. Commerzbank erzielt mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Umsatzes in Deutschland. Damit hat der Zusammenschluß gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinnes des Artikels 1 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung.

IV. Wettbewerbliche Beurteilung

A. Produktmarktabgrenzung

9. Voith ist in verschiedenen Bereichen des Maschinenbaus tätig, die jeweils eigenständige sachliche Märkte bilden.

Schwerpunkt der Tätigkeit von Voith sind Papiermaschinen und Stofftechnik. Diese Maschinen werden an Papierhersteller verkauft. In der Entscheidung Voith/Sulzer (II) vom 19.07.1994 hat die Kommission letztlich offen gelassen, ob der Markt für Papiermaschinen als solche möglicherweise noch weiter zu unterteilen ist (z.B. nach Breite der Maschinen oder nach Neumaschinen/Umbaugeschäft). Jedenfalls separate Produktmärkte bilden demnach verschiedene Maschinen für die Weiterverarbeitung des von der Papiermaschine hergestellten Materials und verschiedene Maschinen für die Vorbereitung der zur Papierherstellung benötigten Rohstoffe.

Es ist davon auszugehen, daß die Bereiche Wasserturbinen, Schiffsantriebe und Antriebstechnik jeweils mindestens eigenständige sachlich relevante Märkte bilden, die ggf. noch weiter zu unterteile wären. Letztlich kann die Frage der genauen sachlichen Marktabgrenzung jedoch offen bleiben.

B. Geographischer Markt

10. Die verschiedenen Märkte für Papier- und Stofftechnik sind Weltmärkte (vgl. Entscheidung Voith/Sulzer (II). Die übrigen oben beschriebenen Märkte dürften mindestens europaweit, möglicherweise auch weltweit sein. Eine genaue Definition der geographischen Märkte ist im vorliegenden Fall nicht notwendig.

C. Auswirkung des Zusammenschlusses

11. Die verschiedenen Märkte für Papier- und Stofftechnik sind weltweit durch erhebliche Marktanteilskonzentration gekennzeichnet. Voith ist neben den Unternehmen Valmet und Beloit einer der weltweit stärksten Anbieter auf diesen Gebieten. Alle drei Unternehmen haben Marktanteile von über [Geschäftsgeheimnis, 15-25 %]% mit geringen Marktanteilsunterschieden untereinander. Jedenfalls Valmet verfügt über ein vergleichbar umfassendes Angebot an Maschinen für die verschiedenen Produktionsstufen. Bei der Prüfung des Zusammenschlußvorhabens Voith/Sulzer wurde festgestellt, daß diese drei Unternehmen trotz der oligopolistischen Struktur des Marktes keine gemeinsame marktbeherrschende Stellung haben. Gründe hierfür waren fehlende Preistransparenz (Papiermaschinen werden im wesentlichen in Einzelanfertigung hergestellt, die Verhandlungen zwischen Papierhersteller und Maschinenbauer sind vertraulich), die Bedeutung nicht preisbezogener Wettbewerbsfaktoren wie Qualität, technische Kompetenz und Referenzen sowie die beträchtliche Nachfragemacht der grossen Papierhersteller. Es gibt keine Anhaltspunkte, daß sich diese Marktgegebenheiten in der Zwischenzeit geändert haben.

Zu Marktanteilsadditionen kommt es durch den hier zu prüfenden Zusammenschluß nicht. Commerzbank ist mit [Geschäftsgeheimnis]% an dem Unternehmen Heidelberger Druckmaschinen AG beteiligt, doch dieses Unternehmen stellt nicht Papiermaschinen, sondern Druckmaschinen her, die von Verlagen, insbesondere Zeitungsverlagen, benötigt werden. Es handelt sich somit um unterschiedliche Produktmärkte. Die Deutsche Bank ist im Bereich Papier- und Stofftechnik ebenfalls nicht vertreten. Daß Voith allein durch einen Finanzkraftzuwachs aufgrund der Beteiligung der Banken auf den oben beschriebenen Märkten, auf denen mit Valmet und Benoit zwei praktisch gleichstarke Wettbewerber vertreten sind, eine marktbeherrschende Stellung erhält, kann ausgeschlossen werden.

12. In den übrigen Tätigkeitsbereichen erreicht Voith Marktanteile von jeweils unter 10 %. Auch hier kommt es nicht zu Marktanteilsadditionen. Damit wird auch in diesen Bereichen durch den Zusammenschluß keine marktbeherrschende Stellung entstehen.

VI. Ergebnis

13. Aufgrund der oben genannten Gründe ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, daß das Zusammenschlußvorhaben nicht zur Entstehung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung in den betroffenen Märkten führt und daher keinen Anlaß zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt oder dem EWR-Vertrag gibt.

14. Aus diesen Gründen hat die Kommission beschlossen, dem angemeldeten Zusammenschluß nicht zu widersprechen und ihn für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Vertrag zu erklären. Diese Entscheidung beruht auf Artikel 6 (1) b der Fusionskontrollverordnung und Artikel 57 des EWR-Vertrages.