CCE, 3 avril 1995, n° M.572
COMMISSION DES COMMUNAUTÉS EUROPÉENNES
Décision
Gehe/AAH
LA COMMISSION DES COMMUNAUTES EUROPEENNES,
1. Am 28. Februar 1995 hat die GEHE AG, Stuttgart (GEHE) das Vorhaben angemeldet, durch ein öffentliches Übernahmeangebot die alleinige Kontrolle über das Unternehmen AAH plc, Lincoln (Amalgamated Anthracite Holdings, im folgenden: AAH) zu erwerben. Es handelt sich um ein feindliches Übernahmeangebot.
I. Die Parteien
2. GEHE ist ein Konzernunternehmen der Franz-Haniel & Cie. GmbH, Duisburg, (Haniel) eines Beteiligungskonzerns mit den Schwerpunkten Umwelt, Bauen, Rohstoffe/ Recycling, Logistik und Gesundheit, wovon letzteres die Geschäftstätigkeit der GEHE ausmacht. Dabei ist GEHE in Herstellung von und Handel mit pharmazeutischen Produkten und anderen Waren für Apotheken, Drogerien, Parfümerien und ähnlichen Vertriebsstellen tätig.
3. AAH ist eine unabhängige Kapitalgesellschaft, deren Aktien breit gestreut sind. Ihre Geschäftsbereiche sind Gesundheit (rd. 80 %), Umweltdienstleistungen (rd. 5 %), logistische Dienstleistungen (rd. 6 %) und Baustoffhandel (rd. 6 %). Der letzte Bereich ist jetzt veräussert. Das Unternehmen ist fast ausschließlich in Großbritannien und Irland tätig.
II. Der Zusammenschluß/Gemeinschaftsweite Bedeutung
4. Die GEHE hat das feindliche Übernahmeangebot für das gesamte Stammkapital am 27. Februar zum Preis von 420 p pro AAH-Stammaktie abgegeben. Unmittelbarer Erwerber wird die zu diesem Zweck gegründete 100 %- Tochtergesellschaft GEHE UK plc. Der mit dem Erwerb verbundene Übergang der alleinigen Kontrolle der AAH auf Haniel/GEHE ist ein Zusammenschluß nach Artikel 3(1)(b) der Fusionskontrollverordnung (FKVO).
5. Dieser Zusammenschluß wird eine gemeinschaftsweite Bedeutung haben. Der gemeinsame aggregierte weltweite Umsatz der beteiligten Unternehmen liegt 1994 über 5 000 MECU (Haniel/GEHE 1994: 10 211 MECU, AAH 1993/94: 2 054 MECU). Der aggregierte gemeinschaftsweite Umsatz jeder der zwei beteiligten Parteien liegt auch über 250 MECU (Haniel/GEHE 1994: 9 866 MECU, AAH 1993/94: 2 053 MECU). Die beteiligten Unternehmen erreichen auch nicht mehr als 2/3 ihres jeweiligen gemeinschaftsweiten Umsatzes in einem und demselben Mitgliedstaat. Der Zusammenschluß hat daher eine gemeinschaftsweite Bedeutung.
III. Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt
a) Relevanter Produktmarkt
6. Die Tätigkeitsgebiete der beteiligten Unternehmen überschneiden sich hauptsächlich in den Bereichen pharmazeutischer Großhandel, und auch in geringerem Umfang in den Bereichen Umweltdienstleistungen und logistische Dienstleistungen.
Pharmazeutischer Großhandel (Apothekenwaren)
7. Der relevante Pharmazeutikaumsatz im Großhandel lag im EWR 1993 bei etwa 50 Mrd. ECU. Auf dem Markt stehen sich als Anbieter die Pharmagroßhändler und auf der Nachfrageseite öffentliche Apotheken, Krankenhausapotheken und in einzelnen Ländern Ärzte mit Dispensierrecht gegenüber. Die Tätigkeit der pharmazeutischen Großhandlungen ist in grossem Umfang national reglementiert. Die Nachfragetätigkeit der Apotheken wird vom ebenfalls durch nationale Vorschriften geregelten Verschreibungsverhalten der Ärzte mit den entsprechenden Erstattungsregelungen bestimmt.
8. In jüngster Zeit beginnen andere Vertriebsformen (Direktvertrieb der Hersteller, unternehmensinterne Großhandelsfunktion von Apothekenketten) das Dienstleistungsangebot des Pharmagroßhandels teilweise zu ersetzen (Randsubstitution).
9. Die beteiligten Unternehmen schätzen den Anteil am Großhandel mit Apothekenwaren im Gebiet des EWR auf etwas mehr als 10 % für GEHE und 3-4 % für AAH, wobei AAH nur im Vereinigten Königreich und in Irland tätig ist, während GEHE in sieben anderen EWR-Ländern vertreten ist, nämlich in Deutschland, Frankreich, Belgien/Luxemburg, Portugal, Spanien und Italien.
Umweltdienstleistungen
10. In diesem Geschäftsfeld sind mehrere Produktmärkte zu unterscheiden. Dabei ist die Haniel-Gruppe z.B. bei Sanierungen, im Recycling und in der Müllvermeidung aktiv, nicht jedoch auf den Märkten Hausmüllentsorgung, Strassenreinigung und Landschaftspflege auf denen sich AAH in Großbritannien betätigt, wobei die geschätzten Marktanteile von AAH kaum eine spürbare Bedeutung erlangen. Sie liegen in der Hausmüllentsorgung mit der relativ grössten Marktbedeutung deutlich unter 5 %.
11. Eine Addition von Marktanteilen durch den Zusammenschluß findet bereits unabhängig von der geographischen Marktabgrenzung nicht statt, weil die beteiligten Unternehmen auf diesen sachlich unterschiedlichen und getrennten Dienstleistungsmärkten tätig sind.
Logistik
12. Im Bereich logistischer Dienstleistungen sind im Hinblick auf funktionale Austauschbarkeit mehrere Produktmärkte zu unterscheiden, weil qualitativ und quantitativ sehr verschiedenartige Bedürfnisse betroffen sind. Daher ist möglicherweise zwischen Kurierdiensten, Paketdiensten und Stückgutschnellieferdiensten, ggf. mit/ohne Lagerhaltung zu unterscheiden. Diese Märkte sind allgemein durch wettbewerbsintensive heterogene Angebotsstrukturen mit geringen Marktanteilen auch der grossen Marktteilnehmer gekennzeichnet.
13. Die beteiligten Unternehmen sind mit AAH Distribution Services in der Lagerhaltung und Verteilung von Waren sowie über zwei GEHE- Tochtergesellschaften im Spezialversand für Büro-, Betriebs- und Lagereinrichtungen in Großbritannien und mit der trans-o-flex Schnell-Lieferdienst AG (Haniel) in Deutschland tätig. Bei einem Umsatzanteil von knapp 6 % erzielt AAH nach Angaben der beteiligten Unternehmen in Großbritannien einen Marktanteil von weniger als 5 %. Der Marktanteil von trans-o-flex in Deutschland wird nur in sehr speziellen, produktbezogenen Versandsegmenten höher eingeschätzt. Der Marktanteil im Spezialversand in Großbritannien ist unbedeutend.
14. Selbst wenn man von einer sachlichen Überschneidung der Märkte ausgeht, ergeben sich eine wettbewerblichen Bedenken, zumal bei der geographischen Marktabgrenzung logistischer Transportmärkte auf umfassendere als nur nationale Märkte abzustellen sein wird und eine Marktanteilsaddition daher zu sehr viel niedrigeren Anteilen führen würde.
b) Relevanter geographischer Markt
15. Pharmazeutischer Großhandel wurde in der Vergangenheit nahezu ausschließlich innerhalb der nationalen Grenzen abgewickelt. Dies ist hauptsächlich auf die nationalen Rahmenbedingungen wie nationale Zulassungen, unterschiedliche Patentlaufzeiten und die rechtliche Qualifizierung in frei verkäufliche, apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Medikamente zurückzuführen. Ausserdem unterscheiden sich Bezeichnungen, Darreichungsformen, Dosierung, Formulierung und Verpackungsgrösse in den Staaten des EWR. Hinsichtlich der Verpackung, Beschriftung und der notwendigen Pflichtangaben sind die Anforderungen ebenfalls national so unterschiedlich, daß für viele Mitgliedsstaaten landesspezifische Packungen produziert werden. Auch die Großhandelsspannen und - preise sind national direkt oder indirekt reguliert und der Struktur des nationalen Gesundheitssystems angepasst.
16. Die vielen Harmonisierungsschritte haben in jüngster Zeit verschiedene dieser Hindernisse aufgelockert und die Richtlinie zum Großhandelsvertrieb pharmazeutischer Produkte (92-25-EEC) hat dies berücksichtigt. Obgleich man noch nicht von einem vollständigen europäischen Markt im Pharmagroßhandel sprechen kann, ist grenzueberschreitendender Vertrieb inzwischen möglich, was sich an der Existenz von Parallelimporten zeigt. Auch wenn man diesen Trend berücksichtigt, ist allerdings gegenwärtig ein Beherrschungsproblem nicht in Sicht.
17. Pharmazeutische Großhandlungen und auch nationale Tochtergesellschaften bedeutender international tätiger Marktteilnehmer wie GEHE liefern dagegen aus den genannten Gründen grundsätzlich an Apotheken des jeweiligen Landes. Auch die Nachfrage der Apotheken wird über das Verschreibungsverhalten der Ärzte und den jeweiligen dargestellten Ordnungsrahmen grundsätzlich national beschränkt, so daß derzeit grenzueberschreitende Lieferungen auf dem Großhandelsmarkt relativ gering sind und hinreichend homogene Wettbewerbsbedingungen bisher nur innerhalb der Mitgliedstaaten des EWR bestehen, die nach wie vor nationale Märkte im Pharmagroßhandel bewirken.
18. Bezueglich der relevanten logistischen und umweltbezogenen Dienstleistungsmärkte kann offenbleiben, ob eine umfassendere als die nationale Abgrenzung des Marktes relevant ist, weil bereits die nationalen Marktanteile so niedrig sind, daß eine Addition unter Beherrschungsgesichtspunkten auf einem grösseren geographischen Markt jedenfalls unbedenklich wäre. Ausserdem wäre diese Addition auch nur vertretbar, wenn sich die Aktivitäten von AAH in der Müllentsorgung, Strassenreinigung und Landschaftspflege sowie bei der vertraglichen Warenverteilung mit den entsprechenden Aktivitäten von Haniel auf einem umfassenderen Produktmarkt sachlich überschnitten, was indessen - wie erwähnt - nicht zutrifft.
c) Wettbewerbliche Beurteilung
19. Der Zusammenschluß wird nicht zur Entstehung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung im Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil davon führen.
Betroffene Märkte
20. Der beabsichtigte Zusammenschluß wird keine horizontale Überschneidung in den betroffenen nationalen Märkten bewirken, weil GEHE bisher nicht im britischen und irischen Pharmagroßhandel tätig ist und AAH nur dort und nicht auf anderen nationalen Märkten in denen GEHE vertreten ist. Die Marktanteile liegen für AAH bei [Geschäftsgeheimnis - 25 bis 35 %] (UK) und [Geschäftsgeheimnis - 25 bis 35 %] (Irland). Sie liegen für GEHE in Frankreich bei etwa 40 %, in Deutschland und Belgien bei [Geschäftsgeheimnis - 15 bis 25 %] und in anderen Ländern (Portugal, Spanien und Italien) zwischen [Geschäftsgeheimnis - unter 10 %] und unter 1 %.
21. In diesen nationalen Märkten sind andere Wettbewerber mit zumeist weit höheren Marktanteilen vertreten, während GEHE über OCP in Frankreich und AAH in Großbritannien und Irland die nach dem Marktanteil führenden Wettbewerber sind. Trotzdem ist GEHE auch hier wirksamem Wettbewerb durch Unternehmen mit erheblichen Marktanteilen ausgesetzt (All. Santé und CERP in Frankreich, Unichem und Lloyds in Großbritannien sowie United Drug, Dublin Drug und UPC in Irland).
22. Eigene Feststellungen der Kommission haben für den Großhandelsmarkt in Großbritannien bestätigt, daß Apotheken die Möglichkeit haben und nutzen, auf andere Lieferanten als AAH auszuweichen. Dabei kam auch vereinzelt Besorgnis über die relative Stärke von GEHE/AAH auf europäischer Ebene zum Ausdruck. Angesichts derzeit national begrenzter Märkte im pharmazeutischen Großhandel, der strengen nationalen Kontrolle über die Zulassung und die Großhandelsspanne und wegen der Leistungsfähigkeit der bestehenden Wettbewerber, besteht in diesem Zusammenhang kein Anlaß für erhebliche Bedenken aus wettbewerblichen Gesichtspunkten.
23. Vertikale Auswirkungen können sich langfristig aus den Aktivitäten der GEHE als Arzneimittelhersteller in Deutschland und der Großhandelstätigkeit von AAH in Großbritannien und Irland sowie dem dortigen AAH-Betrieb einzelner Apotheken ergeben. Allerdings liegen die Marktanteile von GEHE als Hersteller und von AAH als Betreiber von Apotheken in keinem relevanten Markt über 10 %, so daß insoweit nicht von signifikanten Auswirkungen auf betroffenen Märkten auszugehen ist. Insgesamt könnte jedoch von dem Zusammenschluß eine gewisse Verstärkung der Einkaufsstärke gegenüber den Herstellern ausgehen.
24. Konglomerate Auswirkungen könnten sich daraus ergeben, daß GEHE bereits bisher über zwei Tochtergesellschaften im Versandhandel für Büro-, Betriebs- und Lagereinrichtungen tätig ist. Abgesehen von der unbedeutenden Grössenordnung dieses Versandhandels (rd. [gestrichen, da Geschäftsgeheimnis] Mio £) ist eine Auswirkung auf den Pharmagroßhandel nicht ersichtlich, weil es an Berührungspunkten zwischen den Dienstleistungen fehlt.
25. Auf den relevanten betroffenen nationalen Märkten des Pharmagroßhandels ergeben sich daher durch den Zusammenschluß keine Auswirkungen, durch die eine beherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, da bei fehlender Marktanteilsaddition auch jeweils andere Wettbewerber mit bedeutenden Marktanteilen vertreten sind. Andere Auswirkungen durch den Zusammenschluß, die sich aus der Tätigkeit von Haniel/GEHE oder AAH auf vorgelagerten, nachgelagerten und benachbarten Märkten ergeben könnten, sind nicht spürbar wirksam festzustellen.
IV. Beurteilung nach der Fusionsverordnung
26. Aufgrund der oben getroffenen Feststellungen ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, daß das Zusammenschlußvorhaben keinen Anlaß zu ernsthaften Bedenken auf den betroffenen Märkten des pharmazeutischen Großhandels gibt.
Aus diesen Gründen hat die Kommission entschieden, dem angemeldeten Zusammenschluß nicht zu widersprechen und ihn als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt und dem Artikel 57 des EWR-Abkommens zu erklären. Diese Entscheidung ergeht in Anwendung von Artikel 6(1)b der Verordnung des Rates n° 4064-89.